Pflegegeschichte
Pflegehistorikerin Dr. Chou Chuan Chiang Yao (Taiwan) geschrieben 18. Januar 2025
Kennen gelernt habe ich sie beim Florence Nightingale Kongress 2010 in London. Wir waren dort derselben Gruppe zugeteilt und hörten gegenseitig unsere Vorträge an. Frau Yao hatte eine Studentin mit dabei und die Beiden berichteten über traditionelle taiwanesische Medizin und Pflege, deren Verdrängung durch die europäische Schulmedizin, aber auch über die großen Vorteile für die Bevölkerung durch eben die europäische Schulmedizin.
Chou Chuan Chiang besuchte uns danach mehrfach in Heidelberg und gestaltete einmal den Institutsabend am Diakoniewissenschaftlichen Institut der Ruperto Carola, wo sie über die Entstehung des taiwanesischen Pflegesystems durch europäische Missionare berichtete. Auch Patrick Jahn an der Martin Luther Universität in Halle (Saale) lud Frau Yao zu einem digitalen Vortrag zu dieser Thematik ein. Zwei ihrer Biografien zieren das Biographische Lexikon zur Pflegegeschichte, das Hubert Kolling herausgibt und das nun auch über Pflegekräfte aus China und Taiwan berichten kann.
Leider steht mein Gegenbesuch immer noch aus. Corona kam dazwischen. Ich bin wohl in taiwanesischer Pflegeliteratur häufiger zitiert als hierzulande in der deutschsprachigen Pflegeliteratur, für die ich nicht konform genug schreibe.
Besonderes Interesse zeigte Frau Yao an der Schwesternschule der Universität Heidelberg und dem dort früh gelehrten "Nightingale Style of Nursing".
Auf weitere Besuche, in Begleitung ihres Ehemannes, der sich für die hiesige Energiewende interessiert, hoffe und freue ich mich.
Heidelberg Hauptstraße 2012
Heidelberg Schloß 2012
Heidelberg ehemalige Schwesternschule der Universität (Hollyschule) 2014
Heidelberg Bierhälder Hof 2012
Ehemaliges aus der Pflegegeschichte 21. Dezember 2024
Historisch interessiert war ich schon als Jugendliche. Vielleicht bedingt durch die vielen alten Geschichten der Bibel, die zuhause erzählt wurden. Es gab dann auch tatsächlich den Berufswunsch, Alttestamentlerin zu werden. Aber der Weg zu einem solchen Ziel schien mir denn doch (zu) lange zu sein. Die spätere Arbeitsstelle auch nicht unbedingt gesichert. Und während meines Theologiestudiums in Tübingen promovierte damals kaum jemand, bzw. wenn jemand, dann war es eigentlich ein männlicher Mitstudierender. Altehrwürdige Fakultäten, und eine solche war die Tübinger Ev. Theologische Fakultät, machten einer Frau hier nicht unbedingt den Schritt leicht.
- 1990 lernte ich bei einer Veranstaltung der Schwesternschule der Universität Heidelberg die Frankfurter Pflegewissenschaftlerin Hilde Steppe kennen. Eine sehr umtriebige und charmante Person. In diesem Jahr wurde der "Deutsche Verein für Pflegewissenschaft" (heute: Gesellschaft) aus der Taufe gehoben und Hilde Steppe schritt sofort zur Tat und gründete eine erste Sektion dieses Vereins, die "Sektion Historische Pflegeforschung". Auf der Heidelberger Veranstaltung warb Hilde für diese Sektion. Es war eine Aufbruchstimmung, an die ich heute manchmal gerne, manchmal ungerne denke. Gerne, weil wir Träume hatten, ungerne, weil mir und uns nicht klar war, dass diese Träume so schnell nicht in Erfüllung gehen und wir deshalb auch enttäuscht werden würden. Wir träumten von der Akademisierung der Pflege, vom Aufbau einer Pflegewissenschaft, in der die historische Pflegeforschung einen ähnlichen Stellenwert haben sollte wie die Medizingeschichte an einer Medizinischen Fakultät. Wir gingen davon aus, dass innerhalb eines oder höchstens zwei Jahrzehnten jede größere Universität in Deutschland einen Lehrstuhl für Geschichte der Pflege haben würde.
- Historisch interessiert wie ich war, beschloss ich deshalb, mich auf den entsprechenden Weg zu machen, um irgendwann dann doch zu merken, dass die Träume von damals vielleicht besser in den Hintergrund gerückt werden sollten. Gerade noch rechtzeitig habe ich den Absprung in die Pädagogik und Pflegepädagogik geschafft; so sehe ich es heute.
Deshalb beschäftige ich mich inzwischen nur noch randständig mit der Pflegegeschichte. Das Interesse daran ist zurück gegangen, (zu) viele Wiederholungen und auch (zu) viel Lapidares. Eine eigentlich enttäuschende wissenschaftliche Entwicklung .....
In der Zeit aber, in der ich mich mit der Geschichte der Pflege befasste, galt mein Interesse der Geschichte der Schwesternschule der Universität Heidelberg (USH) und hier vor allem der Pflegelehrerin und Schulleitung Antje Grauhan. Ich war mehrfach zu Besuchen bei Frau Grauhan, die inzwischen in Lübeck-Travemünde lebte, und habe mir von ihr alles über die Schwesternschule erzählen lassen. Nachdem eine Publikation zu Antje Grauhan im Eigenverlag schiergar niemanden interessierte, gelang es mir über WIKIPEDIA, Frau Grauhan noch ein wenig bekannt zu machen. Zwangsläufig stösst man bei Forschungen zu Antje Grauhan auf die erste Schulleitung der USH, Olga Freiin von Lersner, und auf deren Nichte, die Fuldaer Pflegewissenschaftlerin Christa Winter-von Lersner. Christa Winter-von Lersner verdanke ich weitere wichtige Informationen zur USH. Ein Wegbegleiter aus der Sektion Historische Pflegeforschung wurde Reinald Schmidt-Richter, der an der USH arbeitete. Es gelang dann schließlich sogar, eine "Fachgruppe Schwesternschule der Universität Heidelberg" im Kontext des Alumninetzwerks der Ruperto Carola ins Leben zu rufen, die bis heute existiert. Es gelang Herrn Schmidt-Richter, die stellvertretende Leitung des Universitätsarchivs Heidelberg (UAH), Frau Sabrina Zinke, davon zu überzeugen, die Korrespondenz der USH im UAH unterzubringen. Ehrenamtlich arbeitete ich diese Korrespondenz, die in 48 Kartons verpackt worden war, durch und stellte die Inhalte für spätere Recherchen zusammen. So kann heute mit dieser Korrespondenz gearbeitet werden, was so gut wie überhaupt nicht der Fall ist. Die Berufsgruppe der Pflegenden, der Pflegestudierenden, zeichnet sich leider durch geringes historisches Interesse aus.
Im "Biographischen Lexikon zur Pflegegeschichte" mit Hubert Kolling als Herausgeber habe ich meine erste Biografie zu Antje Grauhan verfasst (Band fünf) seitdem folgten weitere Biografien und weitere WIKIPEDIA Einträge.
Eine besondere Ehre war es für mich, in der "Hilde Steppe Dokumentationsstelle" der Hochschulbibliothek University of Applied Science in Frankfurt die Gründungsphase des Deutschen Vereins für Pflegewissenschaft (DVP/später DGP) durcharbeiten zu dürfen. Es gab dafür sogar Forschungsgelder der DGP. Die Osnabrücker Pflegewissenschaftlerin Ruth Schröck brachte anlässlich ihres Umzugs nach Edinburgh zwei Leitz-Ordner mit den Unterlagen der Gründungszeit in die Hilde Steppe Dokumentationsstelle, die mir zur Bearbeitung überlassen wurden. Supervidiert wurde ich von Eva-Maria Ulmer, einer Weggefährtin von Hilde Steppe.
Wenn ich mich heute mit der Pflegewissenschaftlerin Karin Wittneben befasse, dann tue ich das aus pädagogischem Interesse. Aber es ist natürlich auch ein Stück Geschichte mit dabei. Karin Wittneben hat die USH durchlaufen und hat dort ihre Abschlussarbeit ("Unterrichtsschwester") zur Patientenorientierung geschrieben. Erstes akademisches Werk von Karin Wittneben aus dem Jahr 1971.
Nightingale Kongress London 23. Dezember 2024
International Perspectives in the History of Nursing Conference,14.-16. September 2010,
Royal Holloway, University of London
Es war eigentlich die Idee von Marianne Arndt gewesen (heute: Sr. Maria Benedicta Arndt), Mitglied 001 der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft und erste habilitierte Krankenschwester in Deutschland, dass ich nach London fahren solle, damit die Heidelberger Pflegegeschichte dort vertreten sei. Begleitet wurde ich von "meiner" Darmstädter Studierenden, Monika Greening, die heute eine Professur für Pflegewissenschaft innehat. Sie unterstützte mich schon beim Probelesen des Vortrags in Deutschland und dann erneut beim Vortrag in London. Zu Zweit geht es einfach besser.
Die größten Herausforderungen jener Tage dürften der Linksverkehr in England und meine in die Jahre gekommenen Englischkenntnisse gewesen sein.
Thema meines Vortrags, wie könnte es anders sein, waren Antje Grauhan und die Heidelberger anthropologische Schule von Medizin und Pflege. Im Jahr 2010 hatte ich hier nun doch schon einiges dazu gearbeitet und hatte Frau Grauhan mehrfach besucht gehabt. 2010 war ja dann auch das Todesjahr von Antje Grauhan, die wenige Wochen vor dem Kongress verstarb.
In der Gruppe, in der ich meinen Vortrag halten durfte, waren auch eine brasilianische und eine taiwanesische Pflegehistorikerin, Prof. Dr. Chou Chuang Yao (TW) und Prof. Dr. Taka Oguisso (BRA). Zu beiden Frauen pflege ich bis heute freundschaftliche Kontakte. Prof. Yao hat mich mehrfach in Heidelberg besucht. Das "Biographische Lexikon zur Pflegegeschichte. Who was who in nursing history" (Hrsg. Hubert Kolling) profitierte in den Folgejahren durchaus auch von diesen Kontakten. Etliche Biografien aus Taiwan und Lateinamerika konnten Aufnahme finden und mit viel lexikalischer Arbeit gelang mir auch jeweils die zeitraubende Übersetzung aus dem Englischen.
Befremdlich für Frau Greening und mich waren der Wohltätigkeitsbasar, der am zweiten Abend des Kongresses stattfand. Wir hatten zuvor gegessen, saßen gemütlich miteinander am Tisch und haben uns unterhalten. Dies sicherlich nicht besonders laut, aber wohl doch laut genug, um von einer der US-Nurses gerügt zu werden. Sie kam an unseren Tisch mit strengem Gesicht. Wir möchten bitte sofort schweigen. Das hat uns nicht gerade erfreut und so war der Abend denn eigentlich auch ein bißchen langweilig.
Eine wertvolle Erinnerung ist dieser Kongress eigentlich bis heute geblieben. Antje Grauhan, die fast vergessene, wurde in London gehört. Kontakte nach Taiwan und Lateinamerika bereichern bis heute mein pflegehistorisches Leben.